Gedanken zum Städtebau
we will help you to build a dream
Ausstellungsgelände über dem Rhein
Die sinnvolle Stellung der Gebäude unter Berücksichtigung der soziologischen Zusammenhänge kann die städtischen Räume ordnen, Plätze und Situationen schaffen. Unserem Jahrzehnt wirft man vor, zwar wirtschaftlich aber nicht gesellschaftsbildend gebaut zu haben. In früheren Zeiten hätte es den Bürgerstolz veretzt, wenn geschriebene Gesetze allein die städtebaulichen Belange einer Stadt geschützt hätten. Die Schönheit der städtischen Gesamtsituation war mehr wert als der eigene Teilbesitz. Aber diese Vorstellungen sind unserer „Amortisations-epoche“ verloren- gegangen; und dabei ist unsere Kultur mehr denn je eine städtische geworden.
Die Schwierigkeit der städtebaulichen Praxis unseres Jahrhunderts ist eben die Tatsache, dass wir nichts mehr ohne Gesetze regeln können, daß der städtische Bürgersinn fehlt, um die Proble- me der Allgemeinheit vernunftgemäß und nicht paragraphengemäß zu lösen. Probleme sind Probleme, weil sie sich nicht eindeutig gesetzlich klassifizieren lassen; aber individuelle städte- bauliche Probleme können heutzutage leider nur „geregelt“ werden.
So mancher schöne Ortskern im Stadtrandgebiet von Düsseldorf ist in der zweiten Welle des Nachkriegsbaus untergegangen. Schablonierte Mietsblöcke, an denen man die baurechtlichen- Bestimmungen demonstrativ ablesen kann, beginnen die Zwischenräume zwischen Stadt und Stadtgrenze auszufüllen. Die malerische Schönheit unserer „Kappesdörfer“ ist schon vor zwanzig Jahren verlorengegangen, aber noch ist nicht alles verloren! Gewiß, unserer Epoche fehlt der Bürgerstolz, dessen Großzügigkeit wir städtische Anlagen wie den Hofgarten oder die Königsallee verdanken. Der Autokult hat den Sinn für die Stadtbaukunst ersetzt. Nur noch im Unterbewußt- sein äußert sich unser Gefühl für diese Dinge, wenn wir von historischen Städten oder Bauwerken schwärmen. Die Denkmalspflege schützt die Ideen der Vergangenheit; mit welchem Schutz führen wir die Ideen unserer Zukunft aus? Dienen wir unserer Gegenwart, wenn wir klassifizierte Bauwerke nur mit dem Zaun des Denkmalschutzes umgeben? Mit einer Neueingliederung in den modernen Bestand würden wir der Vergangenheit und der Gegenwart gerecht. In Volmerswerth hätte die Kirche, der Abteihof, die alte Kirchenumbauung und der Rhein durch eine städtebauliche Neugliederung bedeutend in ihrem Wert gesteigert, ja eine Perle, werden können. Ein neuer Mietsblock aber erschlägt die kleinmaßstäbliche, dörfliche Einheit.
Die alten „ländlichen Vororte“ oder ein alter Hof hier und da könnten durch geschickte Eingliederung eine Stadterweiterung von steriler Anonymität bewahren. Ein alter Dorfkern mit schiefen Winkelchen als kulturelles und gesellschaftliches Zentrum könnte das Gesicht einer Trabantenstadt bestimmen, wie es bei der Planung von Maastricht-Süd in hervorragender Weise untersucht wurde.
Die organisch aus ihrer Funktionsfähigkeit und örtlichen Besonderheit gewachsene Stadt gehört der Vergangenheit an. Flächennutzungsplane und verbindliche Bauleitpläne (Bebauungspläne) regeln die städtebaulichen Belange. Das Bundesbaugesetz und die Baunutzungsverordnung sind die wichtigsten Gesetzesgrundlagen. Nur in wenigen Fällen kann die Umlegung dem ungezügelten Baufieber Einhalt gebieten, und oft sind die Bebauungspläne, wenn sie nach langem Verfahren rechtsverbindlich sind, bereits überholt.
Die in vielen Fällen sehr kleinkarierte Parzellierung erfordert die Mitarbeit und die Einsicht aller Beteiligten, wenn eine halbwegs vernünftige städtebauliche Detaillösung erreicht werden soll. Zukunftsweisende städtebauliche Neuplanungen, die unserer technisch hochentwickelten Epoche gerecht werden, sind nur auf großen Flächen möglich, die in der Hand eines Besitzers sind. Die Fachwelt ist sich schon lange darüber einig, dass das Terrassen- oder Hügelhaus die zeitgemäße Antwort auf die meisten unserer Probleme ist. In Stockum wurde der Bau von Hügelhäusern untersucht. Der Verkehr und unschöne Garagenansammlungen verschwinden in der Dunkelzone, die von Eigentumswohnungen oder Hofhäusern terrassenartig überbaut ist. Städtische und landschaftsbildender Frei- und Sozialräume füllen die in höchstem Maß verdichteten Wohntrichter aus. Es ist einleuchtend, dass aus der Parzellierung entstandene Bürgerhäuser nicht mehr die Vorstädte des 20. Jahrhunderts bestimmen können. Aber noch sind in Düssseldorf keine Hügel- häuser gebaut worden, und das in einer „Stadt ohne Land“, die ihre wenigen landschaftlichen Schönheiten vor Zersiedelung retten will!
Hängen unsere Bürger so am Überkommenen, dass es ihnen schwer fällt, den Planern die Möglichkeit zu kühnen, epochemachenden, neuen Lösungen zu geben? Oder haben wir den Wagemut vergangenen Epochen verloren? In diesen Tagen wird viel über die Messestadt ge- sprochen und geschrieben. Kostenaufstellungen und Einzelinteressen rangieren an erster Stelle, aber verhelfen diese Dinge allein schon zu kühner Stadtbaukunst? Rechtfertigt unsere Zeit, die von Wirtschaft und Handel bestimmt ist, nicht in höchstem Maße eine Umwandlung unserer Stadt zu einer Handelsmetropole ohnegleichen? Wer weiß heute noch, welche Opfer für Versailles oder für die Kathedralen gebracht wurden? Wer würde in 50 Jahren noch von den Kosten für den Ausbau der Oberkasseler Brücke als Messeparadies des 20. Jahrhunderts sprechen? Wir alle bewundern den Ponte Vecchio, die Brücke der Goldschmiedhändler in Florenz, oder den alten Pont Neuf von Paris, eine Wohn-und Handelsstraße, die die Cite-Insel mit den alten Seineufern im Mittelalter verband. Heute bauen wir Brücken nicht mehr aus Stein, bieten Industrie- statt Handwerksprodukte an. Warum nicht einen Ponte Vecchio des 20. Jahrhunderts? Welch großartige Lösung ließe sich hier, mitten in Düsseldorf, der Stadt am Rhein in einer Kombination von modernen Verkehrswegen und Messeflächen realisieren? Dass Brücken kostspielig sind, damit haben wir uns doch schon lange abgefunden; aber haben wir schon begriffen, dass sie das Gesicht unserer Stadt bestimmen? Eine Messebrücke wäre darüber hinaus eine echte, epoche- machende Lösung, ein Symbol des 20. Jahrhunderts in Düsseldorf!
Das kühne Bauwerk allein schon sollte ein Erlebnis und Anziehungspunkt für abertausende Be- sucher aus allen Erdteilen sein. Das ist immerhin der Überlegung wert. Paris nimmt nicht für sich in Anspruch, Messestadt zu sein, aber alle Achtung, den Eiffelturm haben sich die Pariser Bürger etwas kosten lassen. Welche Chance verpassen die Bürger einer Messestadt am Rhein? Jede Stadt kann auf einem anonymen Gelände sterile Messehallen, vielleicht als Zugabe auch noch einen Funkturm mit drehendem Cafe errichten. Wenige Städte der Welt aber profitieren von einer so großartigen Situation wie Düsseldorf, wo der Rhein und das vorhandene Ausstellungsgelände sich mit einer kühnen Messebrücke städtebaulich in einer großartigen Weise verbinden lassen.
Ansammlungen von anonymen Hallen machen noch nicht das Fluidum einer Messestadt aus. Hat sich der Kölner Dom amortisiert? . . . Oder ist es nicht sogar verboten, Bauwerken der Jahrhunderte sol¬che Fragen zu stellen!